Spezieller Teil 5 :Differentialdiagnostik und Pathologien/

Klinische Tests der Gelenke und Gewebe

 

Abschnitt 5 “Ellenbogen + Hand“ (EB/H) 

 

Der Weg zur Diagnose (siehe allgemeiner Teil) ist an den Gelenken des Körpers ähnlich, jedoch aufgrund der Anatomie (z.B. Anzahl der Gelenkpartner) auch etwas spezifisch. Diese Aussage gilt insbesondere auch für den Abschnitt Ellenbogen und Hand. Die Vielzahl an Knochen, Gelenken, ligamentären Strukturen, und nicht zuletzt der zahlreichen Muskeln und Sehnen innerhalb einer begrenzten Region, fordern den Untersucher im Hinblick auf anatomisches und biomechanisches Wissen heraus.

Dazu eine nervale Versorgung, die im Laufe des Lebens gerne einmal symptomatisch wird, sei es als KTS (Karpaltunnelsyndrom), Loge de Guyon-Syndrom, Cubitaltunnelsyndrom, Thoracic-Outlet-Syndrom (siehe "Schulter Region 6“) oder in Strukturen der Halswirbelsäulenregion begründet.

Verschiedenste Frakturen, Sehnenrisse, Gelenkarthrosen, Knoten und Tumoren, Nervenverletzungen, Kontrakturen (Dupuytren), Bursitiden (Olecranon), Insertionstendopathien („Tennisarm, Golferarm“), Osteonekrosen (Morbus  Panner) und weitere Pathologien müssen voneinander differenziert werden.

Wie wir bereits in den anderen Regionen festgestellt haben, ist oft ein Spagat zwischen dem Generalisten- und Spezialisten- Wissen erforderlich. SFT möchte helfen, die Lücke zu füllen und die differentialdiagnostischen Augen zu öffnen.

Die gemeinsame Funktionalität vom Hand- und Ellenbogengelenk, durch das distale und proximale Radioulnargelenk, ist ein Musterbeispiel für schulmedizinisches Kontinuumdenken. Eine der interessantesten Strukturen des Unterarm-Hand-Komplexes stellt dabei vielleicht die Membrana interossea dar. Im FDM spielt sie eine zentrale Rolle bei den Unterarm-Pathologien und war durch Typaldos´ (siehe "Betrachtung der Faszien im Modell“) eigene Verletzung eine Bestandteil der Modellbegründung. Die Membrana interossea verhindert die Parallelverschiebung zwischen Radius und Ulna und überträgt Druck- und Zugkräfte von einem Knochen auf den anderen. Sie ist so kräftig ausgebildet, dass es häufiger zu Frakturen des Knochens kommt, als dass die Membranfasern reißen. So ist die distale Radiusfraktur („Fractura radii loco classico/typico“), der häufigste Bruch des Menschen überhaupt. Im FDM spielt der Faserverlauf der Membrana interossea (45°/ 90°/135°) eine gewichtige Rolle.

Betrachtet man das „Handgelenk“ in seinen einzelnen Bestandteilen, so untergliedert man zunächst in den proximalen und distalen Gelenkanteil. Während die einzelnen Knochen der proximalen Handwurzelreihe eine gewisse Beweglichkeit gegeneinander aufweisen, so ist dieses in der distalen Reihe nicht gegeben. Ein straffer Kapsel-Band-Apparat verbindet die Knochen hier untereinander und zudem mit den Metakarpalknochen, was zu einer funktionellen Einheit führt.

Eine herausragende Stellung nimmt der Daumen ein, dessen „Greiffunktion“ von elementarer Bedeutung ist. Auf den folgenden Seiten werden wir uns dem Entstehen der Pathologien wieder in einzelnen Regionen nähern.

 

Übersicht der Beweglichkeit "Ellenbogen"

 

Gelenke des Ellenbogens (Art. cubiti):

 

 

 

1 Art. humeroulnaris

 

 

 

2 Art. humeroradialis

 

 

 

3 Art. radioulnaris proximalis

 

„Ein Kahnbein fuhr im Mondenschein, dreieckig um das Erbsenbein. Vieleckig groß, vieleckig klein, am Kopf da darf kein Hammer sein.“

(Reihenfolge vom distalen Radius: Os scaphoideum, Os lunatum, Os triquetrum, Os pisiforme, Os trapezium, Os trapezoideum, Os capitatum, Os hamatum)

 

Anamnese Ellenbogen und Hand (Beispiele)

  1. Allgemeine Anamnese (Red/Yellow flags, Schmerzmechanismus)
  2. Soziale Anamnese
  3.      Spezielle Anamnese: 
  • Gab es ein Trauma oder einen anderen spontanen Beginn?
  •  Seit wann tut es weh?
  •  War da etwas Besonderes?
  •  Wie ist die Schmerzentwicklung (Ermüdung, Belastung, Anlauf, Bewegung, Ruhe, Nacht)?
  •  Wie ist der Schmerzcharakter (stechend, punktuell, flächig, ausstrahlend, kribbeln, brennend)?
  •  Kontinuierlicher oder intermittierender Schmerz, zunehmend oder abnehmend?
  •  Welche subjektive Funktionsbeeinträchtigung liegt vor?
  •  Wie ist die Alltagsfunktionalität?
  •  Gibt es feinmotorische Auffälligkeiten?
  •  Gibt es Parästhesien?
  •  Welche Therapien wurden schon durchgeführt? Ggfs. Rheumaanamnese)

Inspektion Ellenbogen und Hand (Beispiele): 

  •   Knochenrelief betrachten: Gibt es knöcherne Auffälligkeiten? Gab es Frakturen in der Vorgeschichte?
  •  Muskelrelief betrachten: Sind Hypotrophien auffällig? Wie ist die Spannung der palmaren Faszie (z.B. Morbus Dupuytren)? 
  •   Gelenkrelief betrachten: Achsfehlstellungen, z.B. Gelenkfehlstellung bei Rheuma
  •   Unterarmachse betrachten: Liegt ein Cubitus valgus oder Cubitus varus vor? 
  •   Gibt es Auffälligkeiten im Schultergürtel (Ellenbogen-Patienten)?
  •  Bewegungsverhalten betrachten: Hand-/ Armeinsatz (Ausziehen/ Anziehen, Schreiben) 
  •   Blickdiagnostik
  •   Wie ist die Trophik (Schweiß, Durchblutung)?
  •   Gibt es Schwellungen, Ödeme, Geschwulste?
  •   Wie ist die Schmerzdiagnostik? Z.B. „Fingerzeig“- Diagnostik oder „Unterarmzeig-Diagnostik“ beim Tennisarm 

Auch dieser Fragekatalog könnte um viele Fragen fortgeführt werden.

Stellt sich in der erfolgten Anamnese und Inspektion, gepaart mit einem Schmerzgeschehen der Ellenbogen-/ Handregion, der Verdacht auf einen dort vorliegenden pathologischen Befund, so erfolgen die regionalen Tests zum weiteren Beweis oder Ausschluss.

MSU kann frühzeitig zum Einsatz kommen, um pathologische Befunde der Muskeln/ Sehnen zu klassifizieren (z.B. Rupturen), Schwellungen/ Knoten (z.B. Tumoren) zu beurteilen, Entzündungen aufzuspüren (z.B. Epicondylitis, Bursitis olecrani) oder nervale Störungen (z.B. KTS) zu analysieren.

Aufgrund der Frakturhäufigkeit in der Unterarm- und Handregion werden zudem zahlreiche Röntgen- und CT-Bilder angefertigt.

Die verschiedenen Verletzungen und Pathologien der Hand, sowie des Ellenbogens, teilen wir „strukturell-pathogen“ ein und differenzieren dort die einzelnen Regionen.

Weitere Informationen finden sich unter "Grundlagen der Befundung", sowie auf den Befundbögen des Kapitels "Ellenbogen und Hand".