Spezieller Teil 3 :Differentialdiagnostik und Pathologien/

Klinische Tests der Gelenke und Gewebe

 

Abschnitt 3 “Hüfte“ (H) 

 

Der Weg zur Diagnose (siehe allgemeiner Teil) ist an den Gelenken des Körpers ähnlich, jedoch aufgrund der Anatomie (z.B. Anzahl der Gelenkpartner) auch etwas spezifisch.

Das erste Ziel der Diagnostik differenziert die Orte des pathologischen Geschehens (Ortsdiagnose) und unterscheidet so artikulär versus extraartikulär.

Im Kontinuumdenken erscheint diese Unterscheidung vielleicht absurd, weshalb betont werden sollte, dass es bei der Differenzierung nur darum geht, den dominanten Störfaktor zu ermitteln.

 

Das Hüftgelenk wird heute klinisch oft als ein Teil der LBH-Region (Lendenwirbelsäule, Becken, Hüfte) gesehen.

Aus Sicht des Kontinuumdenkens ist das eine Freude, da ein Lebewesen nur als Ganzes funktionieren kann.

Doch die klinische Diagnostik und auch SFT möchte den dominanten Faktor einer Funktionsstörung ausfindig machen. Während man beim vorherigen Kapitel „Knie“ oft regionale, strukturelle Knieprobleme als primäre pathologische Erklärung für einen Schmerzprozess vermutet und auffindet, gestaltet sich das „an der Hüfte“ manchmal anders.

Der Begriff „LBH-Region“ weist schon darauf hin, dass die Differenzierung dort recht schwierig sein kann.

Die räumliche Nähe sorgt dafür, dass die klinischen Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln manchmal mehrere Strukturen gleichzeitig provozieren.

SFT geht es um eindeutig positive Reaktionen.

In der LBH-Region werden ein Vielzahl von Röntgenbildern und Magnetresonanztomographien veranlasst und dabei eine Reihe Abweichungen von der physiologischen Normvorstellung gefunden. Dadurch kann der medizinische Behandler leicht auf eine falsche Fährte gelockt werden.

Die „Normalität“ der Entwicklung von Pathologien an der Wirbelsäule ist auf Seite „XY“ dargestellt.

 

Neben der räumlichen Nähe steckt eine weitere Begründung in dem Verständnis der Schmerzmechanismen. Die LBH-Region umfasst sehr viele langjährig, intermittierend, stabil oder progredient chronifizierte Schmerzzustände.

Aus diesem Grund steht der Untersucher in der LBH-Region oft zunächst vor einer Frage des Schmerzmechanismus (Butler und Moseley). Es macht wenig Sinn ausschließlich mit regionalen, klinischen Tests und Bildgebung auf der Suche nach Gewebeauslösern zu sein, wenn der Schmerz biologisch zentralen Abläufen entspringt.

Aus Sicht von SFT ist dieses einer der Gründe, warum FDM in der Region gute Ergebnisse erzielt, die sich manchmal aber nicht als nachhaltig erweisen.

An der Hüfte sind Entfalttechniken (impulsiver Zug/ Traktion) für den Patienten oft sehr entlastend. In der FDM-Lehre werden die Faltfaszien entdreht, in der Schulmedizin Knochen und Knorpel entlastet.

Wiederauftreten der Beschwerden oder anhaltende postmanipulative (postmobilisierende) Beschwerdefreiheit, entscheiden über das weitere medizinische Prozedere (konservativ versus operativ).

Jede Gewebsveränderung (manipulativ/ mobilisierend oder operativ) verändert den Schmerzmechanismus.

 

Welchen Beitrag kann SFT an der Hüfte leisten?

 

Die klinischen Muster können durch einige Tests aufgedeckt und überwiegend  Pathologien des faszio-muskulären Systems mittels MSU bewiesen oder ausgeschlossen werden. SFT unterteilt die LBH-Region deshalb in Hüftregion (Hüfte und Becken) und (untere) Wirbelsäule. Die profunde oder superfiziale „Entzündungsuppe“ (Butler und Moseley) wird neben der zeitlichen Komponente (<6 Monate) als ein Indiz für primär lokalen Schmerzmechanismus (Input) gewertet.

Den Leser sollen diese Zeilen nicht verwirren. SFT ist auf der Suche nach klaren regionalen Befunden. Dafür werden bewährte klinische Tests verwendet und es erfolgt ein begrenzter Einsatz von MSU-Bildgebung. Gezielte Fragestellungen werden mittels weiterführender Bildgebung geklärt (wie Röntgen und MRT).

Wann sollte ein MRT des Rückens erfolgen?

 

1. Erfolgt sofort bei „dark red flags“ oder progredienter neurologischer Symptomatik,

sonst frühestens bei mehr als 6 Wochen Beschwerdepersistenz und trotz konservativer Therapie ausbleibender Besserung.  

2. Gefahr einer unmittelbar progredienten, irreversiblen Gelenkschädigung. 

3. Abklärung einer unmittelbar für die Behandlung unerlässlichen Fragestellung.

4. Konkrete operative Fragestellung oder Vorbereitung für OP

Jedes zuvor veranlasste MRT kann durch einen „patho-physiologischen Zufallsbefund“ mehr negative

Unterstützung liefern, als positive.

 

Im Folgenden beschäftigen wir uns nun mit den pathologischen Geschehnissen, die unmittelbar die Hüftregion betreffen und deren Manifestation für entstehende Schmerzsignale verantwortlich gemacht werden kann.

Bei der Anamnese und Inspektion der Hüftregion kann man sich zunächst an den Auflistungen orientieren, welche beim Fuß und Knie besprochen wurden.

Die Fragen der allgemeinen, sozialen und speziellen Anamnese können identisch gestellt werden.

Die Inspektion bezieht nun -vielleicht etwas stärker als zuvor- den ganzen Körper mit ein. Für ganzheitlich denkende Therapeuten liegt die Betonung auf, „vielleicht etwas stärker“, da selbstverständlich immer das gesamte Haltungsmuster eine Rolle spielt.

Abweichungen des menschlichen, muskuloskelettalen Zentrums haben immer eine unmittelbare Auswirkung in die craniale, wie auch caudale Richtung.

SFT möchte nicht in eine Diskussion einsteigen: „Wo drauf schaust du zuerst? Auf den Fuß oder auf das Becken?“

SFT richtet sich immer auf die für das Schmerzgeschehen dominant erscheinende Region. Es wird dabei im Kontinuumdenken vorausgesetzt, dass es stets Sekundärauswirkungen gibt.

Das Ziel kann aber nicht sein, im Kontinuumdenken viele Ursprünge zu ermitteln, und keinen konkreten Therapieansatz zu finden. Dieses Denken schließt nicht aus, dass fern von der Schmerzregion, Störfaktoren deren Auslösung beinträchtigen oder sogar dominieren können.

 

Anamnese Hüfte:

  1. Allgemeine Anamnese (Red/Yellow flags, Schmerzmechanismus)
  2.  Soziale Anamnese
  3. Spezielle Anamnese: 
  •  Gab es ein Trauma oder einen anderen spontanen Beginn?
  •  Seit wann tut es weh?
  •  War da etwas Besonderes?
  •  Wie ist die Schmerzentwicklung (Ermüdung, Belastung, Anlauf, Bewegung, Ruhe, Nacht)?
  •  Wie ist der Schmerzcharakter (stechend, punktuell, flächig, ausstrahlend, kribbeln, brennend)?
  •  Kontinuierlicher oder intermittierender Schmerz, zunehmend oder abnehmend? 
  •  Welche subjektive Funktionsbeeinträchtigung liegt vor?
  •  Gibt es ein Instabilitätsgefühl?
  •  Liegen Gelenkblockaden vor?
  •  Welche Therapien wurden schon durchgeführt? Gab es Infiltrationen?
  •  Ggfs. Rheumaanamnese  

Inspektion Hüfte (Beispiele):

  •   Knochenrelief betrachten: breites, schmales Becken, Schiefstand (passiv und dynamisch, Übergang zu den Bewegungstests)
  •   Muskelrelief betrachten: Sind Hypotrophien auffällig? Asymmetrien?
  •   Gelenkrelief betrachten: Stellung des Hüftgelenkes?
  •   Beinachsstellung betrachten: Liegt ein X-Bein/ O-Bein vor? Wie steht die Hüfte im Zusammenspiel mit den Gelenken der unteren Extremität? Wie stehen die Fußgewölbe und Kniegelenke?
  •   Wie ist die Wirbelsäulenstatik? (LWS-Lordose, BWS-Kyphose, Skoliose?)
  •   Gibt es Auffälligkeiten im lumbosakralen Übergang und der Iliosakralgelenke?
  •   Gangbild betrachten: Hinken, Hilfsmittel, Schuhwerk
  •   Blickdiagnostik von ventral, dorsal und lateral!
  •   Wie ist das Körpergewicht? Wie ist die Gewichtsverteilung (Bauch) 

Auch dieser "Fragekatalog" könnte um viele Fragen fortgeführt werden.

Stellt sich in der erfolgten Anamnese und Inspektion, gepaart mit einem Schmerzgeschehen der Hüftregion, der Verdacht auf einen dort vorliegenden pathologischen Befund, so erfolgen die regionalen Tests zum weiteren Beweis oder Ausschluss.

Weitere Informationen finden sich unter "Grundlagen der Befundung", sowie auf den Befundbögen des Kapitels "Hüfte"